Wilma erzählt

Wilma erzählt 1

Teil 1 - 2011

Wirtin Wilma erzählt aus vergangenen Tagen

Liebe Gäste! In der ersten Ausgabe des „Hohenhauser“ möchte ich euch über meine Eltern und die ersten Gäste im Hohenhaus erzählen.

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Der kleine Bergbauernhof zu Hohenhaus wurde von meinen Eltern Anna und Hermann Wechselberger in mühevoller Arbeit zur „Fremdenpension“ ausgebaut und ständig weiterentwickelt. Das erste private Hallenschwimmbad des gesamten Bezirkes wurde 1965 errichtet. Ebenso wie Zimmer mit „fließendem Wasser“.

1920 kamen die ersten Touristen auf Sommerfrische oder zum Bergsteigen in den damals noch nicht sehr komfortablen „Erbhof Hohenhaus“. Zu dieser Zeit war das Hintertuxer Thermalbad ein besonderer Anziehungspunkt. Dem Hintertuxer Wasser wurde heilende Wirkungen bei allen möglichen Beschwerden nachgesagt. Unsere ersten Stammgäste waren die Familie Steinlechner aus Wattens in Tirol.

Damals gab es noch keine Straße in das Tuxertal und so kam die Familie in einem anstrengenden Tagesmarsch durch die „Wattener Lizum“ (ein Seitental vom Inntal), über den Geier- und Wandspitz nach Hintertux. Die damals sehr junge Tochter Agnes Steinlechner hielt uns über 75 Jahre die Treue, bevor sie im stolzen Alter von 96 Jahren verstarb.

In den 60er Jahren wurden die Wintersaisonen durch den Bau der ersten Liftanlagen in Hintertux immer attraktiver. Mein Vater Hermann war ein großer Pionier und der Zeit weit voraus. Er war auch maßgeblich an der Gründung und Weiterentwicklung der Bahn beteiligt.

Bereits 1949 wurde der erste Sessellift in Hintertux errichtet. Die „Bahn“ wurde Ende der 60er Jahre zum ersten Tiroler Gletscherskigebiet und der Hintertuxer Gletscher ist nach wie vor das einzige Ganzjahres Skigebiet in Österreich.

Meine Mutter Anna entstammt dem Nennerhof in Hintertux. Sie verstarb nach schwerer Krankheit im März 1978. Mein Vater Hermann kam als Vollwaise nach Hintertux, wo er von der Hohenhaus Bäuerin adoptiert wurde. Er verstarb kurz nach meiner Mutter nach einem Herzinfarkt im September 1978.

Von da an lag es an mir, den Betrieb weiterzuentwickeln. Diese und andere Geschichten erzähle ich euch in den nächsten Ausgaben des „Hohenhauser“. Bleibt gesund und besucht uns bald wieder.

Eure Wilma Egger

Wilma erzählt 2

Teil 2 - 2013

Fortsetzung der Entstehungsgeschichte

Nun lag es an mir, die aus den fünfziger Jahren stammende und nicht mehr zeitgemäße „Pension Hohenhaus“ (ohne Stern) auf Vordermann zu bringen und daraus ein Hotel zu errichten. Und so habe ich 1980 diesen großen Schritt gewagt und das 4-Sterne Hotel Hohenhaus mit 130 Betten neu gebaut.

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Nun lag es an mir, die aus den fünfziger Jahren stammende und nicht mehr zeitgemäße „Pension Hohenhaus“ (ohne Stern) auf Vordermann zu bringen und daraus ein Hotel zu errichten. Und so habe ich 1980 diesen großen Schritt gewagt und das 4-Sterne Hotel Hohenhaus mit 130 Betten neu gebaut.

In vielen Teilen war das neue Hotel Hohenhaus Vorreiter in der gesamten Branche. So haben wir zum Beispiel die Kaminhalle und die Jägerstube mit dem Altholz unseres alten Kuhstalles errichtet. Wir haben als erstes Hotel weltweit ausschließlich Sparlampen eingebaut. Auch das damals neue System der Wärmepumpe wurde eingebaut, hat aber leider nie richtig funktioniert.

Der erste Seminarraum in der gesamten Region wurde eingerichtet und jedes Zimmer verfügte damals schon über ein TV Gerät (ohne Fernbedienung und nur mit 2 ORF Programmen) und einen Zimmersafe. Satellitenprogramme gab es noch nicht. Und diese Investition hatte ihren Preis und der Kredit rund 12% Zinsbelastung. Die ersten Jahre waren sehr schwer und arbeitsintensiv.

Durch den geringen Mitarbeiterstand von nur 13 Mitarbeitern (mehr konnte ich mir nicht leisten) war ich praktisch Tag und Nacht an 365 Tagen im Einsatz. Vom Zimmerreinigen, Geschirr spülen, Bardienst, Küchendienst bis hin zur Buchhaltung und der Korrespondenz. Wo Not am Mann/Frau war, musste ich einspringen.

Auch die Belegung war in den ersten beiden Jahren dürftig, weil sich viele Stammgäste den Preissprung von der Privatpension mit Fließwasserzimmern zum 4-Sterne Hotel nicht leisten konnten. Das war auch für mich persönlich schwer, da mir viele dieser Stammgäste sehr ans Herz gewachsen waren. Es dauerte ca. 3 Jahre bis neue Stammgäste das Hotel Hohenhaus  frequentierten.

Und so erholten wir uns sehr schnell von der großen Investition und es folgten noch viele weitere, wie die Squashhalle, die Parkgarage, das „Tux 1“ (PapperlaPUB) und ein großer Umbau des Hallenbades (Erlebnisbad El Paradiso). Das „El Paradiso“ ist mittlerweile dem „Alpenbad Hohenhaus“ und dem Saunadorf „Alt Hintertux“ gewichen. Und so ging es bis zum heutigen Tag weiter und weiter.

Ständig wird renoviert und modernisiert. Im vergangenen Sommer haben wir die gesamte Heizungsanlage samt Steuerungen erneuert und auf umweltfreundliche Pellets umgestellt. Im Bereich der Hotelbar wurde eine neue Lüftung eingebaut. Ebenso wurden 12 Zimmer und die WC Anlagen im Parterre auf den neuesten Stand gebracht.

In der nächsten Ausgabe erzähle ich euch eine weitere Geschichte vom Hohenhaus und den Familien, die seit Generationen in diesem Hause leben und arbeiten.

Eure Wilma Egger

Wilma erzählt 3

Teil 3 - 2014

Unsere Familie

Meine Mutter stammt vom „Nennerhof“ in Hintertux. Sie war viele Jahrzehnte als Bäuerin und Wirtin die gute Seele im Hohenhaus. Besonders in den Kriegsjahren musste sie Unglaubliches leisten und viel erdulden.

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Meine Mutter stammt vom „Nennerhof“ in Hintertux. Sie war viele Jahrzehnte als Bäuerin und Wirtin die gute Seele im Hohenhaus. Besonders in den Kriegsjahren musste sie Unglaubliches leisten und viel erdulden. Meine Mutter war eine starke Persönlichkeit und hatte unglaubliche Ausdauer. Mein Vater verlor als Kleinkind seine Eltern und verbrachte daher seine frühe Kindheit in einem Waisenhaus.

Vom Waisenhaus entflohen, ist er über viele Umwege nach Hintertux gekommen, wo er sich versteckt und als Hirtenjunge durchgeschlagen hat. Die kinderlose „Hohenhauser Bäuerin“ hatte großes Mitleid mit dem total verwahrlosten Kind, sodass sie ihn bei sich aufnahm und adoptierte. Später überschrieb sie ihm den „Hohenhauserhof“.

Mein Vater war Seilbahnpionier der ersten Stunde und maßgeblich an der Erschließung des Hintertuxer Gletschers beteiligt. Ohne sein Wirken gäbe es heute keine Gletscherbahn und wohl kaum Tourismus im Tuxertal. Ich wurde 1940 geboren und bin mit meinen zwei Geschwistern in sehr einfachen und teils ärmlichen Verhältnissen am Bergbauernhof aufgewachsen.

Schon im Kindesalter mussten wir hart arbeiten. Dennoch hatten wir eine sehr schöne und unbeschwerte Kindheit. Leider verstarben meine Eltern viel zu früh, innerhalb eines halben Jahres, im Jahre 1978. Ich als Älteste der drei Schwestern durfte den elterlichen Betrieb mit der Landwirtschaft übernehmen.1959 heiratete ich den aus Mayrhofen stammenden „Siegeler Max“ Egger. Ihm gehörte der „Siegelerhof“.

Nun bewirtschaftet meine Schwiegertochter Antonia die Landwirtschaft in Mayrhofen. Die zum Siegelerhof gehörige Alm und das „Hotel Siegelerhof“ haben wir verpachtet. Mein Mann Max entstammt einer sehr musikalischen und alt eingesessenen Mayrhofner Familie. Sein Vater hat ihm das Singen und Gitarre spielen beigebracht. Die „Familienmusik Egger“ war die erste Musikgruppe, der er angehörte.

Später gründete er mit 2 Freunden das legendäre „Mayrhofner Trio“. In den Fünfziger Jahren waren sie die „Schürzenjäger“ unter den Volksmusikgruppen. Man hörte sie in jedem deutschsprachigen Radiosender, sogar Musiklegende Ernst Mosch hat einige Musiktitel mit dem Trio aufgenommen. Am Kachelofen (Hotelbar) hängen einige Bilder zu diesem Thema.

Nach unserer Heirat und einem Sommer in Mayrhofen zogen wir nach Hintertux. Max betreute die Kühe und Schweine am Hohenhauserhof und trat den „Tuxer Sängern“ bei. Über 50 Jahre war diese Musikgruppe sehr beliebt und entsprechend viel unterwegs. Mit seinen 92 Jahren singt Max nach wie vor sehr gerne. Aus unserer Ehe entstanden 3 Kinder.

Die Älteste ist Martina, gefolgt von Hermann, zu guter Letzt kam Sepp. 2012 hat sich Martina mit den „Ferienwohnungen Egger“ ihr eigenes Standbein geschaffen. Nach wie vor macht sie die Buchhaltung im Hohenhaus. Hermann und Sepp haben das Alpenbadhotel Hohenhaus mit den dazugehörigen Betrieben und den Landwirtschaften in Hintertux und Mayrhofen übernommen.

Ich habe vier Enkel und einen Urenkel, die mir viel Freude bereiten. Ich freue mich über jeden Tag, in der die Familie gesund ist und wir in Harmonie und Frieden zusammen leben dürfen. Ich wünsche euch ebenso viel Gesundheit und Harmonie und freue mich auf ein Wiedersehen im Hohenhaus.

In der nächsten Ausgabe erzähle ich euch einiges über das Tuxertal, speziell über Hintertux und die Entstehung der Gletscherbahn.

Eure Wilma Egger

Wilma erzählt 4

Teil 4 - 2015

„Hoachnhaus Seppal“

In dieser Ausgabe erzähle ich euch eine interessante Geschichte von einem meiner Vorfahren. „Hoachnhaus Seppal“ (Josef Wechselberger) war der geplante Übernehmer des Hohenhauser Hof. Seppal wurde jedoch mehrmals beim Wildern gestellt.

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In dieser Ausgabe erzähle ich euch eine interessante Geschichte von einem meiner Vorfahren. „Hoachnhaus Seppal“ (Josef Wechselberger) war der geplante Übernehmer des Hohenhauser Hof. Seppal wurde jedoch mehrmals beim Wildern gestellt. Die Jagd war damals den Adeligen und Herrenhäusern vorbehalten, Wilderer wurden mit schwerem Kerker bestraft.

Für die einheimische Bevölkerung war es nicht die Trophäe die lockte, sondern das Fleisch der Wildtiere. Für Seppal war das „Einsitzen“ während der Wintermonate nichts schlechtes, denn dort war es warm und es gab etwas zum Essen. Zuhause blieb mehr Nahrung für seine Eltern und Geschwister. Besonders in den Wintermonaten war die Nahrung sehr einseitig und knapp.

Hintertux war das „Armenhaus“ im Zillertal. Jahr für Jahr ging es ums Überleben und Alternativen gab es nicht. Die wilde Natur, die langen Winter und die einseitige Nahrung setzen der Bevölkerung stark zu. Arzt gab es keinen und daher war sehr oft eine Blinddarm Entzündung, ein Knochenbruch oder eine einfache Grippe das Todesurteil.

Seppal und seinem Vater Thomas war es nicht bewusst, dass ein überführter „Verbrecher“ den Hof nicht übernehmen konnte. Aus dieser bitteren Erkenntnis heraus musste Seppal den Hohenhauser Hof verlassen. Sein Vater übergab ihm alle Ersparnisse, damit es seinem Sohn überhaupt möglich war, aus dem Zillertal hinaus zu kommen.

Viele Jahre haben die Hohenhauser nichts von Seppal gehört. Im Februar 1913 kam ein Brief mit einem eigenartigen, unbekanntem Absender:

Leadville, Colorado, Box 506
Ich grüße Dich, mein Vater! Ich hoffe, es geht euch allen gut und ihr müsst nicht zu viel Not leiden. Ich hoffe auch, dass ihr alle gesund seid. Ich bin nach Colorado ausgewandert. Von der amerikanischen Regierung habe ich mehr Grund und Boden bekommen, als alle Hintertuxer Bauern zusammen besitzen. Und wegen dem Wildern muss ich auch nicht mehr in das Gefängnis, weil ich die Rehe und Hirsche vom Küchenfenster aus schießen kann! Ich bin mit einer Indianerin verheiratet, wir haben sieben gesunde Kinder.
Per Anweisung schicke euch 320 Dollar, das ist der Wert von 1.000 Kronen.
Ihr habt das Geld viel nötiger als ich. Ich danke Dir mein Leben lang und wünsche euch Wohlstand und Gesundheit.

Euer Seppal

Im Brief war ein Bild von Seppal mit seiner Familie. Alle saßen oder standen auf einem Mähdrescher! Nie zuvor hatte ein Hintertuxer einen Mähdrescher gesehen. Diese Zeilen haben meinen Vater so beeindruckt, dass es sein größter Wunsch war, diese Persönlichkeit kennenzulernen. Leider kam es nicht mehr dazu, weil mein Vater viel zu früh verstorben ist. Thomas Wechselberger übergab den Hohenhauser Hof an seine Tochter Maria, da alle männlichen Geschwister nicht mehr am Leben waren. Maria war ledig und hatte keine Kinder. Sie adoptiere meinen Vater, der bereits im Kindesalter Vollwaise war. So wurde er der Bauer am Hohenhauser Hof.

Eure Wilma

Wilma erzählt 5

Teil 5 - 2016

„Meine Kindheit“ 

Ich wurde als älteste von drei Töchtern am 28.08.1940 geboren. Meine Schwester Ilse kam 1943 zur Welt, Christl folgte 1950. Meine Kindheit war von Armut, harter Arbeit, jedoch auch von der Geborgenheit im Familienkreis am Hohenhauser Hof geprägt.

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Ich wurde als älteste von drei Töchtern am 28.08.1940 geboren. Meine Schwester Ilse kam 1943 zur Welt, Christl folgte 1950. Meine Kindheit war von Armut, harter Arbeit, jedoch auch von der Geborgenheit im Familienkreis am Hohenhauser Hof geprägt. Es gab kein fließendes Wasser und keine Zentralheizung. Auf dem Balkon war ein “Plumpsklo”.

In meinen ersten Lebensjahren kann ich nicht daran erinnern, meinen Vater gesehen zu haben. 1942 musste er in den Krieg. Für meine Mutter war diese Zeit die härteste Zeit in ihrem Leben. Alleine musste sie die harte Männerarbeit bewältigen. Die Winter waren schneereich und kalt, das Essen einseitig und knapp. Im Sommer 1946 waren wir gerade bei der Heuernte, als zwei unheimliche Männer auf uns zu kamen.

Meine Schwester Ilse und ich fürchteten uns sehr vor diesen dunklen Gestalten, doch unsere Mutter lief den Männern entgegen und umarmte einen davon. Es war unser Vater, der aus der Kriegsgefangenschaft in Russland geflohen war. Die ersten gemeinsamen Tage waren ungewohnt, weil er in unseren Augen ein Fremder war. Für unsere Mutter war es wahrscheinlich das größte Glück in ihrem Leben.

Lange wusste sie nicht, ob er überhaupt noch am Leben war. Einige Zeit später kam die Gendarmerie und verhafteten ihn. Er musste zur Zwangsarbeit nach Brixlegg, wo er in einem Straflager inhaftiert war. Ab 1946 durfte ich die Schule besuchen. Dort wo sich heute der “Minimarkt” in Hintertux befindet, war das Schulhaus. Es gab nur eine Klasse, in der alle 8 Schulstufen untergebracht waren.

Der Lehrer war sehr streng, wir hatten großen Respekt. Bevor ich am Morgen zur Schule ging, musste ich im Stall die Ziegen füttern und melken. Später, als meine jüngere Schwester Ilse groß genug war, war ich für die Kühe und Ilse für die Ziegen zuständig. Im Sommer halfen wir bei der Feldarbeit, im Stall und im Haushalt mit. Besonders im Winter hatten wir aber auch schöne Zeiten.

Positiv ist mir in Erinnerung, wie wir jeden Sonntag zum Gottesdienst nach Lanersbach rodeln durften. Nie werde ich den Duft der warmen Semmeln vergessen, die wir nach dem Kirchenbesuch in der Bäckerei bekommen haben. Und so vergingen die Jahre, wir wurden erwachsen und aus dem kleinen Bergbauernhof mit drei Gästezimmern wurde eine “Fremden-Pension”, später ein Hotel.

In der nächsten Ausgabe werde ich Euch von der Entstehung der Gletscherbahn erzählen, an der mein Vater maßgeblich beteiligt war. Ich wünsche Euch Glück und Gesundheit und würde mich sehr über Euren Besuch im Hohenhaus freuen.

Eure Wilma Egger

Wilma erzählt 6

Teil 6 -2017

„Die Entstehung der Gletscherbahn“ 

Mein Vater hatte eine prägende Kindheit voller Schicksalsschläge und Armut. Nach dem Tod seiner Eltern wurden er und seine Geschwister in verschiedenen Waisenhäusern in Tirol und Südtirol verteilt.

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Mein Vater hatte eine prägende Kindheit voller Schicksalsschläge und Armut. Nach dem Tod seiner Eltern wurden er und seine Geschwister in verschiedenen Waisenhäusern in Tirol und Südtirol verteilt. In den Waisenhäusern müssen fürchterliche Zustände geherrscht haben, sodass er mit 13 Jahren geflüchtet ist und schließlich nach Hintertux gelangte.

Jahrzehnte später übergab ihm die kinderlose Hohenhaus Bäuerin den Hof. Das Leben war von harter Arbeit geprägt, es gab keine großen Perspektiven. Das einzige, worum es ging, war die Beschaffung von Nahrung. Die Hoffnung auf Verbesserung war der nach dem Krieg aufkeimende Tourismus. Im Juli und August kamen Gäste „zur Sommerfrische“.

Diese Gäste schliefen in den Zimmern von Knecht und Dirn. Diese mussten in den beiden Monaten in der Scheune schlafen. So kam Geld ins Dorf, sodass sich 1949 einige Hintertuxer entschlossen, die “Skiliftgesellschaft Hintertux” zu gründen. Mit viel Mut, Idealismus und allem Angespartem wurde der ersten Sessellift gebaut. Alles musste improvisiert werden.

Die Stützen wurden in Eigenregie aus Holz gefertigt. Die technischen Teile entstammten alten Militärbeständen. Als Antrieb diente ein Panzermotor. Doch der erste Rückschlag ließ nicht lange auf sich warten. Im Jänner 1951 zerstörte eine Lawine den Sessellift. Aus den Trümmern wurde der Lift an einer lawinensicheren Stelle neu aufgestellt.

Doch dieser Standort erwies sich als ungeeignet, weil der Lift zu weit von Dorf und Verpflegungsstätten entfernt war. 1954 musste der Lift aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten und technischer Mängel eingestellt werden. Mit den letzten verfügbaren Mitteln bauten die Hintertuxer einen Schlepplift in Dorfnähe. Mit den Jahren stiegen die Anforderungen der Skifahrer.

Ein einzelner Schlepplift war nicht mehr überlebensfähig. Aufgrund der Lawinengefahr gab es aber an diesem Standort keine Erweiterungsmöglichkeit. Und so wagten die Hintertuxer einen allerletzten Versuch, den nur noch 5 Hintertuxer mittragen wollten. Selbst die Gemeinde Tux war nicht bereit, als Gesellschafter einzusteigen. Alle Prognosen von Experten fielen negativ aus.

Haus und Hof wurden als Sicherstellung an die Bank verpfändet. Mit letzter Kraft und allen Widrigkeiten zum Trotz wurden 1965 ein Sessellift, die „Liftstube“ und 1966 noch ein Schlepplift errichtet. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, dass die Erschließung der Sommerbergalm die Basis für eine florierende Tourismus Region am Hintertuxer Gletscher sein würde.

Die Gesellschaft wuchs Jahr für Jahr, der Gletscher wurde erschlossen, Abfahrten gebaut. Neben dem Hintertuxer Gletscher wurden Seilbahnunternehmen und Gastronomiebetriebe in Lanersbach, Vorderlanersbach, Finkenberg, Ehrwald und der Zugspitze übernommen oder neu gebaut. Heute zählt die Zillertaler Gletscherbahnen GmbH & CO KG zu den größten Seilbahnunternehmen in Österreich.

Mein Vater war ein Visionär, technikbegeistert und sehr fleißig. Er war der erste Hintertuxer, der ein Fahrrad (es gab noch keine Straße), Motorrad, Traktor, Mähmaschine, Waschmaschine oder ein Auto besaß. 1966 waren wir die erstem im gesamten Bezirk, die ein Hallenschwimmbad und eine Sauna bauten.

Auch bei der Gletscherbahn war er von der ersten Stunde an maßgeblich am Aufbau und der Weiterentwicklung beteiligt. Er war dort, wo er gebraucht wurde. Als Liftbursch, Mechaniker, Pistengerätefahrer, Baumeister oder Ideengeber. Bis zu seinem Lebensende im Jahre 1978 war er begeisterter Seilbahner.

Bis zur nächsten Ausgabe verbleibe ich mit lieben Grüßen aus Hintertux. Denkt an uns und kommt bald wieder.

Eure Wilma Egger

Wilma erzählt 7

Teil 7 - 2018

Aus aktuellem Anlass „Mein Mann“ 

Max Egger wurde 1922 am elterlichen „Siegelerhof“, dem ersten urkundlich erwähnten Anwesen von Mayrhofen, geboren. In Aufzeichnungen der der Pfarre haben wir folgenden, interessanten Eintrag gefunden: „Wolfgang Egger war bereits 1677 Mesner in Mayrhofen.

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Max Egger wurde 1922 am elterlichen „Siegelerhof“, dem ersten urkundlich erwähnten Anwesen von Mayrhofen, geboren. In Aufzeichnungen der Pfarre haben wir folgenden, interessanten Eintrag gefunden:“ Wolfgang Egger war bereits 1677 Mesner in Mayrhofen. Die Mesnerei und auch die Stelle als Lehrer verblieben in der Familie Egger ungefähr 170 Jahre. Die Familie scheint sehr angesehen gewesen zu sein. Auch geht aus den vielen Ansuchen um Matrikenscheine hervor, dass sie Familie sich sehr ausbreitete und heute an vielen Orten  Nachkommen aus der Familie zu finden sind“. Max hatte 5 Schwestern und einen älteren Bruder. Alle Kinder mussten von klein auf mit ihrem Vater singen. Sein Vater spielte Zither und war ein begnadeter Musikant. Auch Max erwies sich als besonders gelehrig und erlernte die Gitarre im Selbststudium. Die Musik sollte sein gesamtes Leben begleiten. Neben der Musik hat ihn der 2. Weltkrieg sehr geprägt. Mit zwei Schussverletzungen hatte Max noch großes Glück, dass er mit dem Leben davongekommen ist.  Sein älterer Bruder ist noch in den letzten Kriegstagen gefallen. Erst am 24.12.1947 kam Max von der Gefangenschaft nach Hause. Kaum zuhause angekommen, gründet er mit 2 Freunden das legendäre „Mayrhofner Trio“, mit dem sie in halb Europa aufgetreten sind. Dieses damals sehr bekannte Trio gab es bis 1960. In den Sommermonaten gab es am Siegelerhof (Bauernhof) und in der Gästepension genügend Arbeit für ihn und seine Schwestern. Im Winter mussten die Kinder auswärts arbeiten. So lernte ich Max im Winter 1958 im Hintertuxer Alpenhof kennen, wo er als Hausmeister arbeitete. 1959 heirateten wir in der Hintertuxer Kapelle und wie es sich damals gehörte, zog ich zu meinem Mann nach Mayrhofen. Ich war gerade 20 Jahre alt, als 1960 unsere Tochter Martina zur Welt kam. Mangels Arbeit zogen wir im Winter nach Hintertux. Unsere „Fremdenpension Hohenhaus“ verfügte über eine Heizung, sodass es auch im Winter möglich war, Zimmer zu vermieten. Max versorgte die Kühe und Schweine und wollte ganzjährig in Hintertux bleiben.
Wir bekamen noch zwei Söhne, 1963 Hermann und 1968 den Sepp. Nach dem Ableben seiner Eltern verpachtet Max den Siegelerhof an ein Reisebüro und die Landwirtschaft an einen Nachbarn. Nach wie vor ist der Siegelerhof  samt Landwirtschaft und Alm in Familienbesitz. Max was Bauer im Hohenhaus, doch sein Leidenschaft galt einzig und alleine der Musik. Max war viel mit seinen „Tuxer Sängern“ unterwegs. Über 50 Jahre sollte es diese Musikgruppe geben. Er war gerne in Gesellschaft und verstand es, den anderen Menschen Freude zu bereiten. Für den Einsatz im Bereich der traditionellen Volksmusik und der Erhaltung alten Liedgutes erhielt er das Kulturehrenzeichen der Gemeinde Tux. Noch 2017 überreichte ihm der Landeshauptmann Günther Platter die Verdienstmedaille des Landes Tirol.

Max war nie krank und bis zuletzt geistig fit. Im Oktober 2017 hat er anlässlich der Geburtstagsfeier seiner Schwester letztmalig gesungen. Im November ist er zum letzten Mal mit dem Auto gefahren. Im Dezember wollte er sein Zimmer nicht mehr verlassen. Max ist am 08.01.2018 im 96. Lebensjahr friedlich, zufrieden und seinem Wunsch entsprechend, zuhause eingeschlafen. Er hatte ein erfülltes Leben und was ein friedliebender und gutmütiger Mensch. Sein Platz in der Stube und am Kamin bleibt nun für immer leer. Er fehlt uns sehr.

„Die helle Stimme ist verstummt, das Klang nicht mehr derselbe.
Dein Vermächtnis bewahren wir mit Respekt, der Tod ist nicht das Ende“


Eure Wilma

Wilma erzählt 8

Teil 8 - 2018

Lawinenabgang 1951 

Da im vergangenen Winter so viel Schnee wie schon lange nicht mehr gefallen ist, erweckt es meine Erinnerungen an die schneereichen Winter meiner Kindheit. Die von beiden Talseiten abgehenden kleineren und größeren Lawinenabgänge waren nichts Außergewöhnliches. Doch den Lawinenwinter 1951 werde ich nie vergessen. Ich war gerade mal 11 Jahre alt.

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Da im vergangenen Winter so viel Schnee wie schon lange nicht mehr gefallen ist, erweckt es meine Erinnerungen an die schneereichen Winter meiner Kindheit. Die von beiden Talseiten abgehenden kleineren und größeren Lawinenabgänge waren nichts Außergewöhnliches. Doch den Lawinenwinter 1951 werde ich nie vergessen. Damals war ich 11 Jahre alt. Zu Weihnachten und über Neujahr lag noch kein Schnee.

Die Wiesen und Wälder waren herbstlich braun, teils noch grün. Doch im Jänner begann es unaufhörlich zu schneien. In der Nacht vor dem großen Abgang kam noch mal über ein Meter Neuschnee dazu. Mein Vater hatte den Schneezuwachs gemessen und zeigte sich besorgt. Ich spürte, dass dieses Jahr außergewöhnlich ist, alle hatten Angst. Am 19.01.1951 kam sie, die „Jahrhundert Lawine“!

Meine kleine Schwester Ilse und ich schliefen im Zimmer unserer Eltern. Plötzlich begann es unheimlich zu Rauschen. Voller Angst liefen wir zu unseren Eltern. Sie hielten uns im Arm, um uns zu trösteten, vielleicht auch, um uns zu schützen. Das Rauschen wurde immer lauter, der Boden und die Wände vibrierten, die Fenster zitterten, als ob sie zerbersten wollten.

Niemand redete ein Wort, bis es wieder still wurde. Wir zitterten am ganzen Leib. Durch das Fenster konnten wir nichts sehen, es war vom Schnee „zuzementiert“. Am nächsten Morgen sahen wir, dass diese Lawine nur wenige Meter an unser Haus herangekommen ist. Unser Stall hielt dem enormen Druck der Lawine gerade noch stand, die der Lawine zugewandten Holzwände waren aber schief.

Der uralte „Willeit-Stadel“, der direkt vor dem Hohenhaus stand, war verschwunden, sowie zahlreiche weitere Heustadel. Ich durfte mit meinem Vater über den Lawinenkegel gehen. Beim Tuxerstübl, unserem Nachbarhaus, wurde das Bienenhaus mitgerissen, ein Baumstamm bohrte sich durch das Fenster vom Kinderzimmer.

Beim Badgasthof war die Lawine  in das Haus eingedrungen, der Speisesaal war komplett zerstört. Beim Elternhaus meiner Mutter, dem „Nennerhof“, wurde der Stall zerstört. Alle Kühe, Schweine und Ziegen waren tot. Das „Nennerhaus“ wurde bis zum ersten Stock verschüttet. Und wir sahen auch, dass der am 18.12.1948 in Betrieb genommene Sessellift völlig zerstört wurde.

Mein Vater war Gesellschafter und einer der Initiatoren des Liftes. Neben dem existenzbedrohlichen, finanziellen Rückschlag stand die touristische Entwicklung des gesamten Ortes auf der Kippe. Auf dem Heimweg zum Hohenhaus kam plötzlich eine Lawine von der gegenüberliegenden Seite. Mein Vater warf sich auf mich, damit wir nicht erstickten.

Durch den Druck einer Lawine kann es einem die Lunge zerreißen. Mein Vater konnte mich nur mit großer Mühe am Boden halte, ich bekam kaum Luft. Als es wieder ruhig wurde, lagen wir unter ein paar Zentimetern Schneestaub. Wir standen auf, schüttelten uns ab und sahen nichts. Rundherum nur weißer Schneestaub. Wir rannten bergauf in unser Haus.

Mein Vater stand sichtlich unter Schock. Wie durch ein Wunder gab es in Hintertux keine Menschenleben zu beklagen. Hintertux war 3 Wochen eingeschneit und völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Damals gab es kein Telefon im Ort. Alle Dorfbewohner hielten zusammen, jeder war für den anderen da. Die Männer waren damit beschäftigt, den bis zu 10 Meter verschneiten Weg nach Lanersbach freizuschaufeln.

Als Bauern waren wir Selbstversorger und hatten täglich frische Milch, Butter, Käse, Kartoffel, Eier und Mehl. Mehr brauchten wir nicht. Für uns Kinder waren diese Wochen langweilig, denn wir durften weder zur Schule noch in die Kirche. Zumeist durften wir das Haus nicht verlassen, weil es zu gefährlich war. Erst Ende August war der Schnee dieser Jahrhundert Lawine zur Gänze geschmolzen.

In Vorderlanersbach wurde 9 Bergleute bei einem Lawinenabgang verschüttet. Im ganzen Land kamen in diesem Winter 135 Menschen durch Lawinenabgänge ums Leben. Zuletzt möchte ich noch erzählen, was mir über viele Generationen überliefert wurde. Meine Eltern erzählten, dass die erste Besiedelung von Hintertux, vom Süden über das Tuxerjoch, erfolgte. Am Sommerberg standen die ersten Hütten.

Die ersten Höfe und Stallungen wurden in der Nähe der Gletscherbahn-Talstation errichtet. 1405 kam es zu einer folgenschweren Katastrophe. Eine mächtige Lawine hat viele Menschenleben gekostet und einige Familienstämme komplett ausgelöscht. Die Überlebenden dieser Katastrophe bauten Haus und Hof weiter talauswärts, am heutigen Hintertuxer Ortskern wieder auf.

Leider ist die Ortschronik aus dieser Zeit durch einen Brand im Pfarrhaus vernichtet worden, sodass es keine schriftlichen Aufzeichnungen mehr gibt. Diverse Flurnamen und die „3 Kreuze“ am Talschluss liefern jedoch Hinweise dafür, dass die mündlichen Überlieferungen und Darstellungen so in etwa gewesen sein könnten.

In der nächsten Ausgabe des „Hohenhauser“ erzähle ich euch eine weitere Geschichte aus meinen Kindertagen. Bleibt gesund und besucht uns bald wieder.

Eure Wilma

Wilma erzählt 9

Teil 9 -2020

Weihnachten am Bergbauernhof

Mit dem Düngen, der letzten Feldarbeit des Jahres, begann der Advent. Die Arbeit wurde weniger, die Tage kürzer, es wurde ruhig im Haus. Ich war acht, vielleicht neun Jahre alt. Der Advent damals war so schön, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.

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Mit dem Düngen, der letzten Feldarbeit des Jahres, begann der Advent. Die Arbeit wurde weniger, die Tage kürzer, es wurde ruhig im Haus. Ich war acht, vielleicht neun Jahre alt. Der Advent damals war so schön, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Schon beim ersten Schneefall fieberten wir Weihnachten entgegen. Voller Freude konnten wir mit der Rodel in die Hintertuxer Volksschule fahren.

Es ist Winter, viel Schnee, alles ist weiß – und dann: die wohlig warme Stube. Der erste Adventsonntag. Welch eine Aufregung. Meine jüngere Schwester Ilse und ich durften um 5 Uhr Früh mit der Rodel zur Heiligen Messe nach Lanersbach fahren. Nach der Messe bekamen wir vom Bäcker eine warme Zeile (längliche Semmel). Mit dem warmen Brot haben wir uns die Hände gewärmt.

Und die war so gut, dass ich noch heute den wohligen Duft in der Nase habe. Damals war es kälter als heute, minus 20 Grad waren keine Seltenheit. Zu Fuß gingen wir zurück nach Hintertux. Es erwartete uns die mit Holz geheizte Stube und wohlige Wärme. Unsere Eltern hatten Zeit, um mit uns Karten zu spielen. Die Weihnachtszeit war auch deshalb eine wunderschöne Zeit, weil ich nicht im Stall arbeiten musste.

Das war so schön, ich kann es kaum beschreiben. Und dann kam der Nikolaus mit den unheimlichen Krampussen in ihren furchterregenden Masken. Wir hatten großen Respekt und gleichzeitig viel Freude. Denn der Nikolaus hat uns immer etwas mitgebracht. Einmal hatte er Mandarinen dabei. Wir kannten dieses Obst nicht, die Verkostung war ein Erlebnis.

Einige Tage vor dem Heiligen Abend wurde das Schwein geschlachtet. Meine Schwester Ilse und ich durften das Fett schneiden, aus dem die "Groiggen" (Grammeln) erzeugt wurden. Bei der Herstellung wurde Schweineschmalz gewonnen. Mit dem Schweineschmalz und dem selber geräucherten Speck mussten wir sparsam umgehen. Die aus dem Schwein gewonnenen Produkte waren die Jahresration.

Zu dieser Zeit wurden auch Kekse und Zelten (Früchtebrot mit Nüssen) gebacken. Das ganze Haus roch nach diesen Köstlichkeiten. Der Jahreshöhepunkt war natürlich der Heilige Abend. Zuerst gingen wir zur Frühmesse, zu Mittag gab es Milchmus mit warmem Honig. Die ganze Familie löffelte aus einer Pfanne. In der Dämmerung mussten wir mit Weihwasser und Weihrauch in alle Gebäude gehen.

Wir gingen betend hinter unserem Vater her. Dieses Ritual sollte Unglück von Menschen, Tier und Gebäuden abwenden. Danach warteten wir mit unserem Vater in der Küche. Unsere Mutter war „beschäftigt“. Sie musste dem Christkind zeigen, wohin es die Geschenke bringen sollte. Endlich klingelte es. Wir beteten noch ein "Vaterunser" und dann durften wir in die gut beheizte Stube.

In der Mitte stand der Christbaum, geschmückt mit Äpfeln und kleinen Leckereien. Ein paar Kerzen brannten am Baum. Nun endlich durften wir die Pakete auspacken. Eigentlich wussten wir schon, was das Christkind bringen würde. Wir bekamen immer Doggel (Lodenschuhe) und gestrickte Wollhandschuhe mit wunderschönen Mustern.

Doggel brauchten wir auch, weil wir keine anderen Schuhe hatten und und unsere Lodenschuhe nach einem Jahr verschlissen waren. Im Sommer gingen wir barfuß, wir die Schuhe vom Christkind. Manchmal gab es zusätzlich noch ein wollenes Kopftuch, Mützen gab es damals nicht. Wir bekamen einmal eine Skihose, welche uns von Gästen mitgebracht wurde.

Am nächsten Morgen rutschten meine Schwester Ilse und ich den Hang hinunter, bis sie am Hintern löchrig war. "So, nun müsst ihr den ganzen Winter mit der geflickten Hose zur Kirche gehen!“ Einmal erwischten wir unsere Mutter, als sie heimlich Kleider für unsere Puppen nähte, die dann unter dem Weihnachtsbaum lagen. Das kam uns schon etwas seltsam vor.

Nach der Bescherung gab es immer Krapfen und Nudelsuppe. Das war ein Festtagsschmaus, denn Nudeln gab es so gut wie nie. Nach der Bescherung und dem Essen gingen wir zu den Nachbarskindern, um unsere Geschenke herzuzeigen. Und zuletzt ging es noch zur Mitternachtsmette. So lange durften wir nur an diesem besonderen Tag aufbleiben.

Der Weihnachtstag war für uns Kinder der längste, anstrengendste, aber auch der aufregendste Tag des Jahres. Mit dem Jahreswechsel kehrte wieder der Alltag ein. Um 6 Uhr aufstehen, Ziegen und Kühe melken, in die Schule gehen, Hausaufgaben machen, etwas Freizeit am Nachmittag, dann wieder in den Stall, Abendessen und ins Bett.

Jedes Kind im Dorf musste im Stall, am Feld und im Haus mithelfen, das war normal. Dennoch hatten wir eine unbeschwerte, glückliche Kindheit. Es hat uns an nichts gefehlt. Vielleicht könnt ihr euch nun vorstellen, warum der Advent und ganz besonders der Weihnachtstag für uns Kinder so besonders war. Dieser Tag war die Belohnung und ein Dankeschön für die geleistete Arbeit des abgelaufenen Jahres.

Ich hoffe, ihr findet Gefallen an meinen Erzählungen und wir sehen uns bald wieder.

Bleibt gesund!

Eure Wilma Egger

Wilma erzählt 10

Teil 10 -2021

Der Totengang über´s Tuxerjoch

Bereits um 1850 kamen vermehrt Abenteurer, Bergsteiger und Kurgäste, welche wegen dem Thermalwasser zur „Sommerfrische“ nach Hintertux kamen. Hintertux war sehr abgelegen, Straße gab es noch keine. Mit den „Fremden“ kam bescheidener Wohlstand in das Zillertaler „Armenhaus“.

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Bereits um 1850 kamen vermehrt Abenteurer, Bergsteiger und Kurgäste, welche wegen dem Thermalwasser zur „Sommerfrische“ nach Hintertux kamen. Hintertux war sehr abgelegen, Straße gab es noch keine. Mit den „Fremden“ kam bescheidener Wohlstand in das Zillertaler „Armenhaus“. Die Töchter der Bauern fanden Arbeit, die Söhne wurden Bergführer oder trugen Lebensmittel zum Spannagelhaus.

Die Bauernhöfe vermieteten die Zimmer, wo normalerweise die Knechte schliefen (landwirtschaftliche Gehilfen). Die Knechte schliefen derweil im Heu, in der „Litze“. Bald gab es auch einen Dorfladen, der die Touristen mit Proviant versorgte. Seit 1920 kam die „Wattener Agnes“ mit ihrem Vater ins Hohenhaus. Agnes stammt aus Wattens (Nähe  Innsbruck).

Die Anreise nach Hintertux erfolgte in einem zweitägigen Fußmarsch durch das Wattental, über das Geiseljoch nach Lanersbach, wo sie übernachtete. Am nächsten Morgen ging es weiter nach Hintertux. Ich bin 1940 geboren und nahm Agnes als den ersten Urlaubsgast wahr. Später bekam ich natürlich mit, dass schon lange zuvor Zimmer vermietet wurden. Agnes konnte sehr gut Geschichten erzählen.

Sie erzählte von den alten Hohenhausern und Geschichten aus Überlieferung, die ihr „Hoachnhaus Tumml und Moidl“ (Hohenhaus Thomas und Maria) erzählt hat. Eine altüberlieferte, makabre Geschichte, welche ich oftmals von Agnes, meinen Eltern und anderen Hintertuxer gehört habe, möchte ich euch gerne erzählen.

Ob sich alles so zugetragen hat, oder von Generation zu Generation abgewandelt worden ist …? "Der Totengang nach Schmirn" - Geschichte aus alter Überlieferung, die noch heute gerne erzählt wird: Verstorbene durften nach christlichem Glauben nur in geweihter Erde, also auf einem Friedhof begraben werden.

Bis 1483 bedeutete dies für die zur Gemeinde und Kirchenamt Schmirn gehörenden Hintertuxer, dass sie ihre Verstorbenen in einen zweitägigen Fußmarsch über das Tuxerjoch, durch das Schmirntal, bis zum Friedhof in Mauern im Wipptal (Oberhalb von Matrei am Brenner) bringen mussten. Nur dort durften sie begraben werden.

Im Winter war der Totengang über das Tuxerjoch aufgrund von Schnee und Lawinen nicht möglich. Deshalb hat man für die Anzahl der Menschen, welche möglicherweise im Winter versterben könnten, Sargkisten vorbereitet und in einem eigenen Gebäude, dem "Totenkasten" gelagert. Der Totenkasten war doppelstöckig und klein. In Hintertux gibt es noch ein ähnlich gebautes Gebäude beim Hohenhaus.

Der Totenkasten stand in der Nähe vom Nennerhof. Die leeren Sargkisten wurden auch gerne zum Lagern von Klorbirnen (getrocknete Äpfel und Birnen), Getreide oder anderen haltbaren Lebensmitteln verwendet. Verstarb jemand in der kalten Jahreszeit, wurde der Verstorbene in einer der vorbereiteten Sargkisten zur Ruhe gebettet und im Totenkasten „kaltgestellt“.

Die Temperaturen in Hintertux sind in den Wintermonaten weit unter dem Gefrierpunkt, sodass die teils monatelang andauernde Aufbahrung kein Problem war. Im Jänner (Jahrzahl unbekannt) verstarb ein Hintertuxer Altbauer. Er wurde in eine der vorbereiteten Sargkisten gelegt und im Totenkasten, neben die mit Lebensmitteln angefüllten Sargkisten, aufgebahrt.

Nach erfolgter Schneeschmelze wurde der Verstorbene über das Tuxer Joch bis zum Friedhof nach Mauern getragen und dort bestattet. Die Familienmitglieder und die meisten Hintertuxer folgten dem Trauermarsch. Während des zweitägigen Totenganges wurde ständig gebetet. Einige Wochen nach der Beerdigung zog ein unangenehmer Verwesungsgeruch durch halb Hintertux.

Nach langer Suche fand man schließlich die Ursache im Totenkasten. Die Kiste mit den Klorbirnen war verschwunden, dafür fand man den übelriechenden Altbauern. Aus Versehen wurden die Sargkisten vertauscht und die Winteräpfel unter ständigem Beten über das Tuxerjoch getragen und dort begraben. Der Herrgott und der Altbauer werden es sich wohl so gewünscht haben.

Die Äpfel kamen in den Himmel, die Seele des Altbauern durfte in Hintertux bleiben.

Ich wünsche Euch Glück und Gesundheit und würde mich sehr über Euren Besuch im Hohenhaus freuen.

Eure Wilma Egger

Wilma erzählt 11

Teil 11 - 2022

Mein Vater - „Der Tuxer Schäfer“

In dieser Ausgabe erzähle ich euch von einem Geheimnis, welches mein Vater sein Leben lang für sich behalten hat. Diese Geschichte fällt etwas länger aus, weil ich die Hintergründe erklären muss.

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In dieser Ausgabe erzähle ich euch von einem Geheimnis, welches mein Vater sein Leben lang für sich behalten hat. Diese Geschichte fällt etwas länger aus, weil ich die Hintergründe erklären muss. Mein Vater „Hermann Wechselberger-Profer“ wurde im Alter von 12 Jahren Vollwaise. 1915 starb seine Mutter nach der Geburt von Schwester Frieda. Sein Vater Valentin starb 1921 an TBC.

Nach dem Ableben der Eltern waren er und die acht Geschwister auf sich gestellt. Die älteren konnten arbeiten gehen, die vier jüngsten wurden in verschiedene Waisenhäuser in allen Tiroler Landesteilen aufgeteilt. Nach dem Ableben seiner Mutter wurde mein Vater noch gefirmt, bevor man ihn in ein Pflegeheim ins Stubaital brachte.

Weil er es dort nicht ausgehalten hatte, flüchtete er über das Pardasterjoch ins Wipptal und weiter auf eine Alm im hintersten Schmirntal. Über die Sommermonate stellte ihn ein Bauer auf der weit abgelegenen „Kluppenalm“ als Schafhirt ein. Nach der Alpsaison im Herbst wollte oder konnte der Bauer „keine fremden Mäuler stopfen“.

Er nahm ihn mit nach Steinach am Brenner, zum alljährlich stattfindenden „Matthäus Markt“. Der Bauer wollte ihn loswerden und handelte meinen Vater wie ein Stück Vieh. Er pries ihn als „guten Schafhirten“ und bot ihn jedem Vorbeikommenden an. Zu dieser Zeit gehörte Hintertux zur Gemeinde Schmirn, der Talschaft zwischen dem Tuxerjoch und dem Wipptal.

Hintertux gehörte daher auch zum Steinacher Markt, wo die Hintertuxer Bauern Käse, Kühe, Schweine, Schafe oder Ziegen verkauften. Am 21. September 1921 war auch die Hohenhaus Maria auf dem alljährlich stattfindenden Matthäus-Markt in „Steinach an der Brennerstraße“. Sie sah den verwahrlosten Buben, hatte Mitleid mit ihm.

Niemand wollte ihn haben, niemand wollte ihn über den Winter „durchfüttern“. Aufgrund einer fehlenden Arbeitskraft am Hof nahm ihn die ledige und kinderlose Hohenhaus Bäuerin Maria Wechselberger, die „Hoachnhaus Moidl“ mit nach Hintertux, wo er als Ziegen- und Schafhirt, später als Knecht am Hohenhauser Hof arbeitete.

Das Einzige was der Bub besaß, war ein rupfener Sack mit seinen wenigen Habseligkeiten und zwei Bildern. Ein Bild wurde anlässlich der Taufe seiner Schwester Frieda aufgenommen, dies geschah unmittelbar nach dem Tod der Mutter. Das zweite war ein Portrait von ihm, welches zu seiner Firmung angefertigt wurde. Dieses Bild entstand kurz nach dem Ableben seines Vaters.

Beide Bilder hielt er Zeit seines Lebens in Ehren, schauten sie immer wieder an. Und nun komme ich zu dem Geheimnis, welches mein Vater Zeit seines Lebens für sich behalten hatte. Hermann Holzmann (geb. 1906), der Buchautor von „Der Tuxer Schäfer“, stammte aus Steinach am Brenner, also von jenem Ort, wo sich das Schicksal meines Vaters Hermann Profer (geb. 1909), später Wechselberger-Profer zum Guten wendete.

Der Autor hatte den „Handel“ am Markt miterlebt, war wohl mitten im Geschehen. Ein Geschehen, welches ihn in einer Weise schockiert hat, dass er es in seinem Leben nie mehr vergessen würde. Für den damals 15-jährigen Holzmann musste dieses Ereignis derart prägend gewesen sein, dass er sich entschloss, ein Buch darüber zu schreiben.

Um die Geschichte vom „Tuxer Schäfer“ authentisch gestalten zu können, reiste er anfangs der 1960er Jahre nach Hintertux, um Eindrücke zu sammeln und die Region zu erkunden. Er verabredete sich mit Simon Mader, dem „Kösslerbauern“. Dieser wanderte mit dem Autor zu allen Plätzen, wo sich der Tuxer Schäfer aufgehalten hatte.

Der Autor wollte viel über Hintertux, meinen Vater und die Hohenhauser wissen. Während der langen Wanderungen bis zur Schafalm auf die Wandspitze oder zum Tuxerjoch und hinunter ins Schmirntal erzählte ihm Simon viele, teils über Generationen zurückreichende Geschichten. 1966 kam „Der Tuxer Schäfer“ erstmals in den Handel.

Im Buch beschreibt Holzmann eine verkannte Liebe in einer Zeit, wo harte Arbeit, Gottesfürchtigkeit und die alleinherrschenden Bauern die Grundpfeiler der Gesellschaft waren. Für Ortskundige ist dieses Buch von besonderem Interesse, weil Orte, Plätze, Berge oder Almen genau beschrieben wurden und man sich mitten im Geschehen wiederfindet.

Aus unerklärlichen Gründen kaufte mein Vater hunderte dieser Bücher. Damals konnte sich niemand vorstellen, warum er so viel Geld für diese Massen an Büchern ausgegeben hatte. Nicht einmal seine eigene Frau, meine Mutter Anna hatte eine Erklärung. Weil es der Zufall so wollte, studierte der Ahnenforscher Hansjörg Fankhauser 2019 die Familiengeschichte der alten Hohenhauser und die Geschichte meines Vaters.

Er kannte das Buch „Der Tuxer Schäfer“. Eines Tages erklärte mir Hansjörg Fankhauser die zahlreichen Zusammenhänge unserer Familiengeschichte mit dem „Tuxer Schäfer“:  „Der Autor hat drei Generationen durchmischt und Namen geändert. Es ist eure Familiengeschichte und die Geschichte deines Vaters“.

Etwas überrascht nahm ich das Buch zur Hand, welches ich zuletzt irgendwann in den sechziger Jahren gelesen hatte. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, dass sich mein Vater in diesem Buch wiedergefunden hatte. - Drei Tage später wusste ich: Der „Tuxer Schäfer“ ist mein Vater! - Beim Lesen dieses Buches fühlte ich mich in die Zeit meiner Kindheit am Hohenhauser Bergbauernhof zurückversetzt.

Der „Tuxer Schäfer“ weckte meine Erinnerungen, auch wenn die „gute alte Zeit“ nicht immer so gut war. Wir freuen uns sehr, dass dieses Stück Familiengeschichte nach so vielen Jahren zu Tage getreten ist. Gleichzeitig ist es sehr schade, dass mein Vater Zeit seines Lebens dieses Geheimnis für sich behalten hatte. Er konnte oder wollte es niemanden erzählen, warum auch immer?

Wie gerne würde ich ihn heute nach „Diesem oder Jenem“ fragen. Von seiner Kindheit, den vielen Schicksalsschlägen, der harten Zeit im Waisenhaus oder nach seinen Erlebnissen am Steinacher Markt. Über diese Dinge redete er ungern. Es war wohl die schlimmste Zeit seines Lebens. Trotz der schwierigen Jahre in seiner Kindheit schaffte es mein Vater eine Familie zu gründen.

Er arbeitete fleißig und konnte schließlich den „Hohenhauser Hof“ von seiner Ziehmutter übernehmen. Aus dem alten Bergbauernhof entwickelte er und meine Mutter das „Fremdenheim Hohen-Haus“, später die „Pension Hohenhaus“. Er war an der Gründung und dem Bau der Hintertuxer Gletscherbahn beteiligt, trug in diesem Sinne Maßgebliches zur Entwicklung der Tourismusregion Tux bei.

Mein Vater lebte ein glückliches, wenn auch arbeitsreiches Leben. Er war eine Respektsperson und von allen hoch geschätzt. Ruhig, besonnen, ehrlich, jedes Wort war überlegt. Im Gegensatz zu meinem Vater, durfte ich im Kreise meiner Familie eine schöne Kindheit verbringen, von der ich auch gerne erzähle. Ich hatte Eltern, von denen ich unglaublich viel lernen durfte. Sie prägten mein Leben und haben mich stark gemacht.

Ich wünsche Euch alles Liebe und Gute. Bleibt gesund und besucht uns bald wieder.

Eure Wilma Egger

Wilma erzählt 12

Teil 12 - 2023

Meine Familie und der Gastbetrieb

In den 1960er Jahren reichte ein einziger Schlepplift nicht mehr aus. Für die Schi-Anfänger bauten die Pioniere der „Schiliftgesellschaft Hintertux“ einen zweiten Schlepplift am Talschluss, dort wo heute die Talstation der Hintertuxer Gletscherbahn steht. 

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(Gekürzte Fassung)

In den 1960er Jahren reichte ein einziger Schlepplift nicht mehr aus. Für die Schi-Anfänger bauten die Pioniere der „Schiliftgesellschaft Hintertux“ einen zweiten Schlepplift am Talschluss, dort wo heute die Talstation der Hintertuxer Gletscherbahn steht. 

Am 24. Jänner 1964 gründeten fünf mutige Hintertuxer die „Hintertuxer Gletscherbahn GmbH & Co KG“. Die Gesellschafter, unter ihnen auch mein Vater Hermann Wechselberger-Profer, hafteten bei der Liftgesellschaft mit ihrem Privatbesitz. Sie nahmen allen Mut zusammen und bauten eine Sesselbahn vom Hintertuxer Talschluss bis zur Sommerbergalm. Zur Versorgung der hungrigen und durstigen Schifahrer wurde noch ein „Liftstüberl“ errichtet. Die Winter liefen nicht so gut, hingegen wurde der Lift in den Sommermonaten gut angenommen. Im Tuxertal gab es noch keinen TV-Empfang, mit einer Ausnahme. Oben auf der Sommerbergalm im Liftstüberl, konnte ORF 1 empfangen werden, worauf die Gesellschafter ein TV-Gerät aufstellten. Dies war die Attraktion im ganzen Tuxertal. Wenn am Abend eine beliebte Sendung ausgestrahlt wurde, fuhren die Gäste nach dem Abendessen in Scharen mit dem Sessellift hinauf, um dort „fern zu sehen“ und zu feiern. Für die Gäste war es ein Riesenspaß, für die Liftgesellschaft ein wichtiges Zusatzgeschäft.

1959 heiratete ich Max Egger, den „Siegeler Max“. Seine Eltern waren die „Bauern zu Siegeler“ und Besitzer der „Pension Egger“ in Mayrhofen. Max war ein bekannter Sänger und Musikant. Nach der Hochzeit zog ich zu ihm nach Mayrhofen, was meinem Vater gar nicht gefiel. Er hatte Angst, dass seine drei Töchter heiraten und niemand den Hohenhauser Hof und die Fremdenpension übernehmen würde. 1960 kam unsere Tochter Martina zur Welt und dem Wunsch meines Vaters endsprechend, zogen wir im Herbst nach Hintertux.

Nun war es an der Zeit, die alten Strukturen aufzubrechen und neue zu schaffen. Im Hohenhaus begannen wir einfache Speisen „a la carte“ zu verkaufen. Wir hatten eine etwas größere Haushaltsküche, für größere Mengen an Speisen war sie aber nicht ausgelegt. Die Gäste bestellten am Morgen, wir bereiteten alles vor und gaben die Speisen am Abend aus. Jeden Tag gab es etwas anderes, zum Beispiel: Tiroler Gröstl, Knödel mit Sauerkraut und Würstl, Bratkartoffel mit Speck und Spiegelei oder Erbsensuppe mit Würstl. Meine Mutter Anna Wechselberger war die Köchin. Sie hat uns, ihren drei Töchtern das Kochen beigebracht. Ilse und ich arbeiteten im ganzen Haus. Die jüngste Schwester Christl war 9 Jahre alt und half in den Ferien überall mit.

Wer schwanger war, kam in der Küche. Die andere arbeitete an der Bar, im Speisesaal oder machte die Gästezimmer sauber.

Mein Vater Hermann Wechselberger-Profer bediente die Gäste an in der Stube und an der Bar. Er musste von Kind an hart arbeiten und hatte dem entsprechend eine überaus kräftige Statur und große Hände. Wir machten die Suppenteller immer richtig voll, die Gäste bezahlten ja dafür. Zum Servieren waren diese Teller etwas schwierig...

Oftmals hörte ich von den Stammgästen:

„Der Hermann hatte mal wieder seine Daumen in der Suppe“.

Aber das machte nichts, wir lachten darüber und hatten viel Spaß mit unseren Gästen. Vater, Mutter und wir drei Schwestern waren ein ausgezeichnetes Team und arbeiteten sehr gerne zusammen.

1962 bauten wir einige neue Zimmer. Im Keller richtete mein Vater eine Kellerbar ein, die legendäre „Gletscherspalte“. Sie befand sich dort, wo heute Tischfußball und Hockeyautomaten stehen. Während der Bauzeit im Herbst mussten wir täglich von früh bis spät zusammenhelfen, damit die bereits reservierten Zimmer bis Weihnachten fertig wurden. Zu diesem Zeitpunkt war ich mit Hermann schwanger. Damals arbeitete man bis kurz vor der Geburt.

Mein Vater war täglich nach dem Abendessen der „Barkeeper“ in der „Spalte“, wie sie von den Einheimischen genannt wurde. Manchmal kam es vor, dass nach dem Abendessen niemand zu ihm hinuntergehen wollte. Dann ließ er einfach die Kellertüre offenstehen und spielte solange den Schneewalzer auf seiner Harmonika, bis die von der Musik angelockten Gäste neugierig wurden und über die steile Treppe zu ihm hinunterstiegen.

1965 wollte mein Vater ein Hallenbad bauen. Im gesamten Bezirk und weit darüber hinaus gab es noch keines. Den dafür notwendigen Kredit von einer Million Schillig lehnte der Bankbeamte ab:

„Für solche Spinnereien haben wir kein Geld“!

Mein Vater gab nicht auf, zu sehr war er von seiner Vision überzeugt. Nach langen und zähen Verhandlungen gelang es ihm schließlich, die Hälfte des Kreditvolumens zu bekommen, allerdings mit weit überhöhten Zinsen, wegen der „Risikoabgeltung“. 1966 konnte er schließlich sein Vorhaben in „abgespeckter Form“ umsetzen. Mit vollem persönlichen Einsatz der ganzen Familie bauten wir das erste private Hallenschwimmbad mit einer Sauna. Gleich nach er Inbetriebnahme füllte sich das „Bad Hohenhaus“ und die Sauna tagtäglich bis weit über die Belastungsgrenze hinaus. Zahlreiche Gäste und von weither angereiste Einheimische stürmten Bad, Sauna und die heiß begehrte „Schwimmbad-Bar“. Nicht nur die Eintritte, sondern auch die Umsätze von Speisen und Getränken waren enorm. Wir verkauften Unmengen an Schnaps, Bier und Wein. Jeden Tag backten wir mehrere Blech Apfel- und Topfenstrudel. Zeitgleich mit der Hallenbaderöffnung stellten wir auf Halbpension um, aus dem „Fremdenheim Wechselberger“ entstand die „Pension Hohenhaus“. Als Menü gab es beispielsweise Nudelsuppe, Fleischkäse mit Kartoffelsalat und als Nachspeise Apfelmus mit Kirsche oder Ananasscheibe mit Sahne. Wir arbeiteten tagtäglich viele Stunden und hatten kaum Personal, weil wir sparen mussten.

Die Abrechnung mit dem Bankbeamten, der Vaters Hallenbadbau als „Spinnerei“ bezeichnete, erfolgte prompt nach der ersten Wintersaison. Er staunte nicht schlecht, als ihm mein Vater mit lächelndem Gesicht das gesamte Kreditvolumen bar auf seinen Schreibtisch legte.

Es ging uns gut, immer mehr Gäste wollten in das Hotel mit dem Hallenbad. Auch privat ging es uns sehr gut. 1968 bekamen wir noch einen „Nachzügler“, den Sepp.

Meine Eltern starben 1978 innerhalb von wenigen Monaten. Meine Mutter nach langer Krankheit mit 67 Jahren, mein Vater an einem Herzinfarkt. Er wurde 69 Jahre alt. Für mich war das Ableben meiner Eltern eine schwere Belastung. Und plötzlich, von einen auf den anderen Tag, war ich mit meinen Sorgen und dem Betrieb alleine. Mein Mann Max war Bauer, in der Fremdenpension konnte er mir kaum helfen. Ilse lebte schon einige Jahre mit ihrer Familie in Lanersbach, Christl heiratete und zog mit ihrem Mann Erich und Tochter Silvia in die neu erbaute „Pension Vierjahreszeiten“.

Die Nähe und die Gespräche mit meiner Mutter fehlten mir sehr, die Weitsichtigkeit von meinem Vater beeindruckt mich heute noch. Er war der erste Hintertuxer mit einem Fahrrad und Motorrad, obwohl es noch keine Straße gab. Er kaufte als Erster Hintertuxer einen Traktor, eine Mähmaschine und für meine Mutter eine Waschmaschine. Auch bei der Gletscherbahn war mein Vater von der Gründung an maßgeblich am Aufbau und der Weiterentwicklung beteiligt. Er war dort, wo er gebraucht wurde. Als Kellner, Barkeeper, Hausmeister, Handwerker, Liftbursch, Mechaniker, Pistengerätefahrer, Baumeister und Ideengeber.

Und nun, so plötzlich und überraschend lag es an mir alleine, die „Pension Hohenhaus“ weiterzuführen und in eine gute Zukunft zu bringen.

Ich wünsche Euch alles Liebe und Gute. Bleibt gesund und besucht uns bald wieder.

Eure Wilma

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